Moseltraum…

Steil, steiler am steilsten. Die Weinberge an der Mosel sind eine echte Herausforderung für jeden. Weinbau in extremster Steillage. Nichts für schwache Nerven…

Blick vom Bremmer Calmont
Blick vom Bremmer Calmont

Die Mosel mit ihren Seitentälern ist eigentlich ein Traum. Kaum eine Region hat dieses herausragende Mikroklima, kaum eine Region ist in der Lage so ungemein typische und wiedererkennbare Weine zu produzieren. Die Rieslinge sind einzigartig und die moseltypischen restsüßen Kabinette oder fruchtigen Spätlesen gehören zum Besten, was es weltweit in dieser Kategorie an Wein überhaupt gibt. Die Mosel ist Riesling! Gleiches gilt natürlich für die Ruwer und die Saar. Früher hieß das Anbaugebiet auch Mosel-Saar-Ruwer. Heute heißt es leider nur noch Mosel. Für mich ist das nach wie vor nicht nachvollziehbar. Ich bin ein großer Freund von möglichst wenig abstrakten und möglichst vereinfachten Begrifflichkeiten, wenn es um Wein geht. Das ist mir in diesem Fall aber zu einfach. Leider. Die Saar ist so anders und verdient es deutlich hervorgehoben zu werden. Gleiches gilt im Übrigen auch für die Ruwer. Politik, ich lasse das…

Die Mosel ist ein Traum, ich wiederhole mich. Ein Paradies für jeden Weinfreund – allerdings auch für denjenigen, der es gerne rustikal mag. Heerscharen von Billig-Bus-Touristen fräsen sich Jahr für Jahr durch Cochem und Umgebung und verleihen diesem majestätischen Tal eine Art Rentnerparadies-Anmutung mit leichtem Disneyland Touch. Wer das noch nicht erlebt hat, kann es sich nicht vorstellen, wer es mal erlebt hat, will es nicht wieder erleben. Das Eldorado der Sandalensocken-Träger. Es steht natürlich völlig außer Frage, dass Touristen und deren Portemonnaies wichtig sind. Noch viel wichtiger ist allerdings eine Zielgruppendefinition.

Beinahe noch dramatischer als die Busmenschen, sind die unzähligen Zeltplätze inklusive der klassischen Camperklientel. Ich kenne keine Weingegend, die auch nur annähernd so viele Campingplätze in exponierter Lage aufzuweisen hat wie die Mosel. Ich frage mich warum. Schön ist anders!

Glücklicherweise tut sich etwas. Langsam zwar, aber konstant. Alleine schon der neue Auftritt der Gebietsweinwerbung ist phänomenal und ganz sicher gibt es helle Köpfe, die über neu zu erschließende Zielgruppen nachdenken. Dabei muss und sollte natürlich nicht alles über Bord geworfen werden. Die zu bohrenden Bretter an der Mosel erscheinen dick. Zumindest mir als Außenstehenden. Man muss ganz sicher nicht alles verändern. Es geht eigentlich nur um die Wertigkeit. Die Mosel kann auf keinen Fall eine „billige Anmutung“ haben. Das geht nicht. Weinbau in Steillagen ist nicht billig und kann auch keinen billigen Wein hervorbringen. Und Steillagenweinbau ist die Tradition der Mosel.

Tradition ist etwas, auf das man stolz sein sollte und Tradition muss dringend bewahrt werden. Tradition ist ein wesentlicher Teil der eigenen Identität. Die gibt man nicht einfach auf. Etiketten sind dafür übrigens auch ein schönes Beispiel. Ich liebe diese typischen geteilten Moseletiketten, bei denen an der Seite die Infos stehen und in der Mitte ganz klassisch das Weingut mitsamt Wappen abgebildet ist. Das hat einen beinahe einzigartigen Wiedererkennungswert. Ich kenne kein Etikett, das bereits von weitem so eindeutig einer Region zuzuordnen ist, wie das klassische Moseletikett. Wäre ich Moselwinzer, ich würde das niemals ändern. Aufhübschen höchstens. Aber auch nur dezent.

Traditionell denkt man, wenn man an die Mosel denkt, eher an süße, als an trockene Weine. Das ist wiederum nicht ganz richtig – wenngleich auch ich eher die restsüßen Weine im Kopf habe. Winzer wie Molitor, Loosen, Lauer, Schloss Lieser und einige andere mehr produzieren herausragende große trockene Rieslinge. Aber auch jenseits der „üblichen Verdächtigen“ sind ganz fantastische trockene Rieslinge zu finden.

So produziert beispielsweise Karl-Josef Thul in Thörnich, nahe bei Trier, ganz hervorragende trockene Weine für den Alltag. Stefan Steinmetz in Brauneberg mausert sich mehr und mehr zu einem der verlässlichsten und herausragendsten Produzenten. Nicht nur in Sachen Riesling. Auch seine Rotweine sind fulminant. Man sollte es kaum glauben – und eigentlich noch weniger sagen – aber selbst sein Dornfelder ist außergewöhnlich. Außergewöhnlich gut versteht sich. Und wer es ungewöhnlich mag, sollte dringend seinen Pinot Meunier versuchen. Ein auf das wesentliche reduzierter extrem tiefer und schnörkelloser Rotwein. Hier wird nicht mit vordergründiger Frucht kaschiert, hier wird seriöser Rotwein produziert.

Einen, den eigentlich keiner auf dem Schirm hat, ist Martin Gerlach. Gerlachs Mühle heißt das Weingut und ist lediglich achteinhalb Hektar groß. Martin übernahm das Weingut im zarten Alter von 20 Jahren von seinem Vater. Für den war Weinbau lediglich Hobby und das Weingut hatte damals knapp fünf Hektar. Alles wurde an die Genossen vom Moselland geliefert, lediglich 2.000 Flaschen hat der Vater selbst gemacht. Heute, 13 Jahre später, vermarktet Martin seine gesamte Ernte selbst. Immerhin 35.000 Flaschen. Er hat jahrelang viel investiert, auf sein Gehalt verzichtet und seinen Weinküfermeister gemacht. Das Weingut bewirtschaftet ausschließlich Steillagen. Eigentlich gehört an diese Stelle ein Superlativ: Steilstlage. Was für mich als normaler Flachlandwinzer steil ist, ist für den echten Moselaner ein Scherz. Unsere steilste Lage, der Rüdesheiemr Berg Schlossberg, der für uns eine Herausforderung darstellt ist für Winzer wie Gerlach eher eine Spazierstrecke. Umso mehr Respekt muss man vor den jungen Winzern wie Gerlach, Thul, Steinmetz und Co. haben, die sich die mühsame Arbeit in diesem „Bergen“ antun. Dass das nicht selbstverständlich ist, sieht man an den vielen brach liegenden Flächen. Nicht nur an der Mosel, auch am Mittelrhein und überhaupt überall dort, wo der Mechanisierung Grenzen gesetzt sind. Weinbau in diesen Steillagen ist extrem arbeits- und damit auch kostenintensiv. Eigentlich kann keine Flasche aus derartigen Lagen weniger als zehn Euro kosten. Sollte sie auch nicht! Wein ist kein Schnäppchen. Wein ist ein Kulturgut. Wein aus Steillagen ist ein schützenswertes Kulturgut. Wer hier nur auf Preis-Leistung aus ist, trägt maßgeblich dazu bei, dass diese einzigartige Kulturlandschaft irgendwann nicht mehr existieren wird. Es ist schon sehr paradox, wie wir hier in Deutschland mit solchen Erzeugnissen umgehen. Lebensmittel haben kaum einen wirklichen Wert, Wein schon gar nicht. Das Motorenöl kann gar nicht gut und teuer genug sein, Das „Öl für den Körper“ muss billig sein. Absurd! Das einzige Argument das aktuell noch ein wenig zieht ist der Wunsch danach, dass das Produkt irgendwie politisch korrekt ist. Fair am besten. Der Arbeiter in Peru, der den Spargel sticht, soll gut behandelt werden. Das ist wichtig, keine Frage. Aber der Winzer an der Mosel möchte das bitteschön auch. Natürlich ist das Klientelpolitik, aber was soll ich anderes sagen – ich bin Winzer.

dangerous-rieslingZurück zu Gerlach und seinen Weinen. Auf dem Etikett prangt ein Totenkopf mit der Aufschrift: „Dangerous Riesling“. Es ist eine Anspielung auf die Bezeichnungs- und Deklarationswut der EU, die das Kulturgut Wein nur allzu gerne mit allen anderen alkoholischen Getränken gleichsetzen will. Dass das nicht richtig ist, ist Gerlachs Überzeugung – meine übrigens auch. Der Wein an sich ist gar nicht gefährlich – im Gegenteil. Er ist ein typischer trockener Moselriesling. Fest in der Struktur, straff, nicht zu dick mit eine kleinen animierendem Bitterle am Ende und einem enormen Trinkfluß. Leider kostet dieser Wein nur selbstausbeuterische sieben Euro, womit wir direkt wieder beim leidigen Thema wären. Solche Preise sind unrealistisch und tatsächlich nur dadurch zu erklären, dass die eigene Arbeitsleistung nicht vernünftig entlohnt wird. Darüber sollte man nachdenken, wenn man „billige“ Weine kauft. Ähnlich wie der billige Spargel aus Peru und die preiswerte Rose aus Äthiopien…

 

Bilder: Deutsche Weininstitut; Weingut Gerlachs Mühle

 

Dirk Würtz Verfasst von:

Ein Kommentar

  1. 10. Oktober 2016
    Reply

    Es ist mir immer eine große Freude, für Martin Gerlach Etiketten entwickeln zu dürfen.
    Unser außergewöhnliches Design inszeniert nicht nur die exzellenten Weine des Gondorfer Weinguts, sonder gerade den jungen Winzer persönlich auf das Beste.
    Mit dem Dangerous Riesling ist uns ein innovatives Konzept gelungen, dass bei den Gastronomen, den Händlern und natürlich beim Verbraucher ,gefährlich gut‘ ankommt.

    Und am meisten macht es Spass, mit Martin in den steilsten Lagen abzuhängen 😉
    Herzlichste Grüße an das Redaktions-Team,
    Dipl.-Komm.-Des. Heike Krüger

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