Großer Wein aus großen Flaschen

Das alljährliche Sommerfest von „FINE“ ist nicht nur irgendein lustiges Sommerfest, an dem man zusammenkommt und ein Gläschen Wein trinkt. Es ist immer ein Höhepunkt, denn einige der besten Winzer der Welt sind mitsamt ihren Weinen zu Gast. Dementsprechend außergewöhnlich ist die Probe, die immer ein Tag vor dem eigentlichen Fest stattfindet.

„Große Weine aus  großen Flaschen“, war das Thema der diesjährigen Probe. In fünf Flights gab es insgesamt 23 Weine. Alles blind, versteht sich, und nach den Flights wurde aufgedeckt. Grundsätzlich sind Blindproben immer spannend. Diese war umso spannender, da man sehen konnte, wer am Tisch saß. Sprich, wenn Allegra Antinori oder Priscilla Incisa della Rochetta am Tisch sitzen, ist relativ klar, was es gibt – einfacher machte es das Ganze aber nicht wirklich…

Letztere ist übrigens die Chefin von Sassicaia, einem der herausragendsten Weingüter Europas. Womit wir auch direkt bei einem der besten Weine des Abends wären, dem 1995 Sassicaia. Was für ein unglaublich animierender und eleganter Wein. Ein Wein, der einen sofort aus dem Glas heraus anspringt und fesselt. Alles ist fein: die Säure, die Tannine, die gesamte Struktur. Und selbst wenn er jetzt gerade ganz hervorragend zu trinken ist, hat er doch noch ein großes Potenzial für sicherlich viel Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte. Wer auch immer meint, und so etwas soll es ja geben,  Sassicaia sei eine Art Modewein oder dergleichen, dem sei dringend angeraten diese Meinung durch nachhaltiges trinken dieser Weine zu überdenken

Wesentlich monumentaler – im besten Sinne des Wortes – ist der 2009 Monteverro. Jenes neu „designte“ Weingut der deutschen Unternehmerfamilie Weber in der Maremma, das so gerne belächelt wird. Hier wachse kein Wein, hier werde Wein gemacht, so der oftmals zu hörende Vorwurf. Michel Rolland, der weltweit tätige Oenologe ist hier der Berater. Gerade ihm wird immer wieder gerne vorgeworfen, er mache Baukastenweine und stelle sein Handschrift über die Herkunft der Weine. Das kann man alles so sehen, unbedingt richtiger ist es deshalb aber nicht. Rolland ist erfolgreich und die Weingüter, die er betreut eben auch. Manche treffen den Geschmack der Masse, andere den der Kritiker. Monteverro allerdings ist einfach nur gut! Ich hatte mittlerweile häufig die Gelegenheit, diese Weine zu trinken. Sie sind wuchtig, monumental, sehr dicht, im Alkohol kräftig. Aber eben auch immer ausgestattet mit einer feinen Säure, mit einem tiefen Kern und mit einer enormen Saftigkeit. Je älter sie werden, desto besser werden sie. Den 2009er probiere ich mittlerweile seit Jahren. Und von Jahr zu Jahr wird er besser. Diese Weine brauchen schlicht und einfach Zeit. Die kann man ihnen durchaus geben.

Wahrhaft groß war der 2009 Château Léoville Poyferré. Der Wein hat eine unglaublich dunkle, beinahe schon schwarze Farbe und ist eine Explosion von roter Paprika. Ein Koloss, gemacht für die Ewigkeit, groß, dicht und komplex und so, wie ich Bordeaux liebe: straff, mit Zug und minütlich sich im Glas entwickelnd!

Mein heimlicher Rotweinstar des Abends war aber eine anderer, nämlich der 2012 Pinot Noir von Gantenbein. Ich gebe es gerne unumwunden zu: Wenn mir ein Winzer oder Weinmacher zutiefst sympathisch ist, dann mag ich in der Regel auch den dazu gehörenden Wein. So ist es in diesem Fall. Daniel Gantenbein ist ein durch und durch sympathischer und netter Mensch. Einer, mit dem man gerne den Abend verbringt und der nebenbei auch noch ein großer Kenner und herausragender Verkoster ist. Sein 2012er Pinot ist so fein, wie es feiner kaum noch geht. Die Säure steht wie eingemeißelt und neben den enormen Kirscharomen poppen nebenbei immer mal wieder etwas Banane, Kaffee und Röstaromen auf. 2012 ist blutjung und sollte unbedingt noch für viele Jahre im Keller vergraben bleiben.

Das Pendant zum Rotweinstar war an diesem Abend für mich der 2005 Hochgrassnitzberg Sauvignon Blanc Reserve von Polz. Walter Polz konnte ich bereits im letzten Jahr während einer herausragenden Sauvignon blanc Probe kennenlernen. Schon damals hatten mich seine Wein überzeugt. Der 2005er hat mich förmlich mitgerissen. Hochfarbig, beinahe im Fumé Stil, mit Anklängen an Gewürznelken, stand der Wein wie eine Eins im Glas. Extrem seriös und fordernd einerseits, zum sofortigen Trinken auffordernd andererseits. Ein großer Wein, ein seriöser Wein, der mit seiner Dichte und Tiefe  beinahe alles vom Tisch fegt, was diese Rebsorte sonst noch zu bieten hat.

Extrem spannend, weil noch nie vorher von mir getrunken, war der 2013 Ornellaia Bianco. Blind hielt ich ihn für einen typischen weißen Bordeaux. Reif, mit roten Beeren und etwas dropsig. In der Säure moderat und weder übergewichtig, noch das Gegenteil. Ein guter Wein, zweifelsohne. Persönlich nicht unbedingt mein Ding – mir fehlte da doch die Tiefe und der Charakter, den die großen weißen Bordelaiser so mitbringen. Spannend aber allemal. Lichtjahre vom Schnäppchen entfernt, allerdings.

Ein Weingut, das wenige auf dem Schirm hier haben,  ist die Tenuta J.Hofstätter aus Südtirol. Martin Foradori-Hofstätter ist nicht nur ein wirklich extrem sympathischer Zeitgenosse, er produziert auch Jahr um Jahr auf einem konstant hohen Niveau Weine, die mir wirklich gut gefallen. Der 2012 Ludwig Barth von Barthenau Vigna Roccolo ist so ein Wein. Viel Vanille, viel Minze und ein konzentrierter Duft von Süßholz springen aus dem Glas. Die Säure ist frisch und steht felsenfest und ein verspieltes, extrem angenehmes Bitterle gibt dem Ganzen den letzten Kick. Das Potenzial dieses Blauburgunders ist enorm. Kaufen und in den Keller legen!

Wenn es ein Fazit für so einen Abend gibt, dann ist es zumindest kein wertendes. Weine auf diesem Niveau sind kaum miteinander vergleichbar und am Ende entscheidet der persönliche Geschmack – die Vorliebe. Meine Vorliebe ist, quasi naturgegeben – der Riesling. Riesling, ist er denn gut, wird mir nie langweilig. Und so war mein tatsächlicher Herzenswein an diesem Abend eben auch ein Riesling. 2008 Kiedrich Gräfenberg aus der Magnum. Damals hieß das Ganze noch „Erstes Gewächs“. Ein rauchiges, minziges, zitrusartiges Monument von einem Riesling. Fest, dicht, lang und zupackend und mit einer schier unbeschreiblich genialen und reifen Säure. Viel zu jung versteht sich, aber auf dem Weg dazu ein ganz Großer zu werden.

Fotos: Johannes Grau

Dirk Würtz Verfasst von:

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