Julia Seyffardt

Weingüter gibt es wie Sand am Meer. Manche hat man auf der Agenda, manche nicht. Ich entdecke gerade eines für mich ganz neu. Und das ausgerechnet in der Nachbarschaft

Hier im Rheingau gehört Wein zum Alltag und irgendwie hat der typische Rheingauer auch immer irgendwas mit Wein zu tun. Und wenn es nur ein paar Quadratmeter Weinberg sind, die er oder sie besitzt. Das ist nicht verwunderlich. Die Region ist klein und kompakt und der Wein ist allgegenwärtig. Allgegenwärtig ist auch der VDP. Der hat im Rheingau so viele Mitglieder wie in keiner anderen Region. Das hat viele Gründe, einer ist in der Historie begründet. Aber das ist ein anderes Thema. Eines der zahlreichen VDP.Mitglieder ist das Weingut Diefenhardt in Martinsthal.

Das Weingut Diefenhardt ist quasi eine Art Prototyp des Rheingauer Weinguts: 18 Hektar im Familienbesitz, Gutsausschank, Verkauf ab Hof. Wie das eben so ist. Das Weingut war ganz früher schon einmal im VDP, dann wieder nicht und beim Zusammenschluss von Charta und VDP kamen sie wieder dazu. Also alles ganz normal. Allerdings ist das nur auf den ersten Blick so.

Der Patron, Peter Seyffardt, ist Politiker. Früher saß er im Landtag, jetzt macht er als Weinbaupräsident Politik. Das muss man wollen und mögen. Ein wichtiges Amt, aber eben auch eines der denkbar undankbarsten. Weinbaupräsident muss man sein wollen und man muss „Spaß“ daran haben, die vielen Interessen und Befindlichkeiten der Winzer unter einen Hut bringen zu wollen. Wichtig ist der Job dennoch. Es ist Lobbyarbeit – und die muss gemacht werden. Die Schwester des Patrons ist Ulrike Neradt, eine überregional bekannte Chansonette und Moderatorin. Von 1994 bis 2007 hat sie, gemeinsam mit Sternekoch Johann Lafer, den „Fröhlichen Weinberg“ moderiert. Eine Art Musikantenstadel mit alkoholischer Begleitung. Passend zur damaligen Zeit, in der Wein, wenn er denn mal im TV stattfand, beinahe immer Folklore war. Bei genauerer Betrachtung hat sich daran im TV leider auch wenig geändert. Nebenbei bemerkt war Neradt die letzte Deutsche Weinkönigin, die der Rheingau hervorgebracht hat. 1972 war das. Lange Rede, kurzer Sinn: So normal dieses Weingut erscheint, so außergewöhnliche Menschen bringt es hervor. Jetzt steht die nächste Generation bereit. Und um die soll es eigentlich hier gehen.

Julia Seyffardt ist ein großes Talent. Talente haben es im Rheingau schwer. Schwerer, als in anderen Regionen. Talente haben es naturgemäß da leichter, wo alles anders war. In Rheinhessen beispielsweise, einer Region, die in den letzten 20 Jahren wie keine zweite wie Phoenix aus der Asche auferstand, fallen Talente mehr auf. Das ist logisch. Der Rheingau, mit seiner leicht saturiert-adligen Anmutung macht es den Talenten da eher schwer. Egal ob VDP oder nicht. Julia ist eines, ein Talent, vielleicht sogar eines der größten, das die Region in den letzten Jahren aus sich herausgepresst hat. Sie dreht gerade das Weingut stilistisch in eine neue Richtung. Nicht mit dem Brecheisen. Das würde auch zu dieser eher zierlichen Winzerin gar nicht passen. Behutsam, mit Umsicht. Dabei aber konsequent.

Es ist nicht so, dass die Weine des Weingutes vorher schlecht waren. Im Gegenteil. Diefenhardt ist das, was man „verlässlich“ nennt. Im besten Sinne. Nicht besonders auffallend, nicht hervorstechend. Gut und verlässlich. Auch wenn das irgendwie langweilig klingen mag – es ist nicht so gemeint. Umso faszinierender ist dieser Wandel, den die kleine Seyffardt vorantreibt.

Auf einmal vibrieren die Weine. Auf einmal sind sie klar und präzise. Gebirgsbachklar. So, dass man (ich) sie immer trinken will. Julias Weine sind keine Verkostungsweine. Keine Weine, die man stundenlang sezieren oder im schlimmsten Fall „verstehen“ muss. Es gibt eh nichts, was man beim Wein „verstehen“ muss. Trinken. Schmecken. Fertig! Die Diefenhardt´schen Weine unter der „kleinen Seyffardt“ sind so. Sie haben Trinkfluss da, wo er sein muss. Beim trockenen Gutsriesling beispielsweise. So viel Trinkfluss, dass das beinahe schon unanständig ist. Wenn es an die großen Weine geht, die VDP.Grossen Gewächse, dann kommt zum Trinkfluss noch das seriöse Element. Das, was einen Wein eben „groß“ im besten Sinne macht. Es versteht sich von selbst, dass das subjektiv und durch und durch Geschmackssache ist. Ich mag das. Ich mag auch die Winzerin. Überhaupt mag ich diese Generation von Winzern. Sie sind ganz anders, als wir waren. Als ich war. Sie sind viel präziser.

Julia Seyffardt wirkt nicht nur präzise, sie ist es, und so sind auch ihre Weine. Da ist nichts Aufdringliches, alles wirkt rund und leicht und dennoch nie belanglos. Filigran ist ein Begriff der auch gut passt. 2016 ist der dritte Jahrgang, den sie zu verantworten hat. Natürlich ist das noch nicht wirklich viel. Aber es ist beeindruckend. Vom ersten Moment an ist da eine Handschrift zu erkennen. Das ist nicht selbstverständlich. Papa Peter Seyffardt, der Politprofi, mengt ebenfalls im Weingut mit. Auch er ist Geisenheimer und auch er war, wie seine Tochter, zum Praktikum in Südafrika. Allerdings in einer anderen Zeit, einer anderen Epoche. Mit Julia bricht jetzt eine neue Epoche an. Eine mit viel Esprit und ganz sicher auch eine mit viel Glamour. Macht „die Kleine“ so weiter, wird der Aufstieg nicht aufzuhalten sein. Wer Riesling liebt, wer den Rheingau mag, der sollte ab sofort das Weingut Diefenhardt auf dem Zettel haben!

Dirk Würtz Verfasst von:

Ein Kommentar

  1. 22. November 2017
    Reply

    Klar, den Diefenhardt hab ich auf’m Zettel. Zuletzt bin ich zum Handkäse-Test dort vorbei gestolpert, denn für meinen Blog teste ich derzeit die besten Locations. Und der Gutsausschank ist ein schönes Lokal und Martinsthal ist auch schnell mal aus Wiesbaden erreichbar…

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