Foto: GERRIT CALLSEN
Zugegeben, die Überschrift ist eine bewusste Provokation. Falsch ist das Ganze dennoch nicht…
Weine aus dem Bordelais sind vor allem eines: beständig. Es gibt hier und da mal eine Jahrgangsschwankung, natürlich auch eine Preisschwankung. Zwischendurch werden auch immer mal wieder andere Gebiete gehypt. Aber Bordeaux geht irgendwie immer. Mit einer Art aristokratischer Gelassenheit stehen die knapp 50 Top-Châteaus seit Jahrhunderten beinahe immer irgendwie an der Spitze der Nahrungskette in Sachen Wein. Was um sie herum passiert wird bestenfalls zur Kenntnis genommen. Das Bordelais an sich, die breite Masse, hat mit dem zu kämpfen, was dem Rest der europäischen Weinwelt auch zu schaffen macht. Wenn es um die Top-Weine dieser Welt geht, stehen die bestens Châteaux in jedem Fall wie eine Bank. Quasi betoniert für alle Ewigkeit. So betoniert, dass man alles, was aus den gleichen Rebsorten gemacht wird, nur eben woanders, sogar „Bordeaux Blend“ nennt.
Alleine die Wortschöpfung – Bordeaux Blend – macht klar, um was es geht. Schmeckt ähnlich, kann man irgendwie vergleichen, kommt aber selten an das Original heran. Man kann den Herrschaften am Atlantik nur zu dieser grandiosen Marke gratulieren. Aber, und jetzt kommt ein Aber mit Ausrufezeichen: Wirklich richtig spannend ist es auch und gerade woanders. Da, wo man es kaum erwartet. Beispielsweise in Washington State. Ganz oben im Nordwesten wachsen Weine, die es mit jedem Top-Bordelaiser aufnehmen können. Manchmal, je nach Präferenz, sind sie sogar besser. Blasphemie, könnte man meinen …
Wein aus den USA, wenigstens im Premium Segment, hat es von je schwer in Deutschland. Alleine das ist schon ein Grund, warum manche dieser Weltklasse-Weine erst gar nicht im Bewusstsein der Weingemeinde hier ankommen. Das liegt auch in erster Linie am Preis. Und da nimmt das Paradoxon seinen Lauf. Wein aus den USA gilt gerne als zu teuer. Unter 60 oder 70 Euro wird es schwierig, etwas in der Top-Liga zu bekommen. 60 bis 70 Euro pro Flasche für einen Spitzenwein gilt hingegen im Bordelais als Schnäppchen. Verrückt. Es ist ganz klar die Reputation des Bordelais, die dafür sorgt, dass 250 Euro und mehr eben keine Rolle spielen. Für einen Wein aus der „Neuen Welt“ hingegen ist da die Schmerzgrenze bereits deutlich überschritten. Es gibt natürlich Ausnahmen. Den „Opus One“ beispielsweise. Aber der läuft so oder so irgendwie unter „assoziiert europäisch“, denn hier hat Mouton seine Finger mit im Spiel. Selbst das „Judgement von Paris“, bei dem in einer legendären Blindprobe die Amis die Bordelaiser vom Tisch gefegt haben, schrumpfte im Laufe der Zeit zu einer Art historischen Petitesse. Die Weine haben also mit vielem zu kämpfen. Preis, Prestige und überhaupt. Nebenbei bemerkt: Würde man heute eine derartige Probe wiederholen, das Ergebnis wäre ähnlich. unter Umständen vielleicht noch dramatischer. Zugegeben, das ist ein persönlicher Eindruck. Aber eine Probe wäre es allemal wert.
Zurück zu den Weinen aus Washington. Sie wachsen allesamt östlich von Seattle. Abseits dieser aberwitzig wachsenden und pulsierenden Stadt, quasi in der Wüste. Man glaubt das kaum, wenn man es nicht selbst gesehen hat – aber Washington, der „Evergreen State“, ist nur bis zu den Cascades, einem Gebirge, wirklich „evergreen“. Dann macht es bums, ohne Vorwarnung, und man ist in einer Wüste. Wie das da genau aussieht, kann man übrigens in diesem Video sehen. Wüste heißt tagsüber warm, nachts kalt. Besser geht das kaum. Alles hier hat Säure. Genau davon leben auch die Bordeaux Cuvées. Sie haben die Kraft und den Druck von perfekt ausgereiften Trauben, gepaart mit einer schier aberwitzigen feinen Säure. Wer in der Lage ist, das in die Flasche zu bringen, macht daraus ganz großes Zeug. So wie Chris Carmada von Andrew Will. Der ist eine Art Legende. Einer der ersten, der in Washington überhaupt Wein in derartigen Sphären gemacht hat und eine echte Persönlichkeit. Eine Art Super-Freak. Seine Weine nehmen es mit jedem großen Médoc auf. Sie sind eine Ausgeburt an Eleganz und enorm lagerfähig. Also das, was den Weinen aus der „Neuen Welt“ immer noch gerne abgesprochen wird. Versucht man via Google herauszufinden, wo man die Andrew Will Weine kaufen kann, sucht man allerdings vergeblich. Aufgeführt werden sie zwar, erhältlich sind sie aber allem Anschein nach nicht. Wenn überhaupt, dann in der Schweiz. Unglaublich eigentlich. Das sollte bald mal dringend jemand ändern!
Was man in Deutschland sehr gut bekommen kann, sind die Weine von Château St. Michelle. Dazu demnächst mehr.
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