Stag´s Leap –

Manchmal gibt es sie, die Sternstunden im Trinkerdasein. Diese Momente, in denen sofort klar wird, dass es nicht mehr besser und vielleicht auch gar nicht mehr anders geht. Weltengelskonferenz auf der Zunge eben!

Wein ist ein durch und durch emotionales Getränk – zumindest für mich. Wenn ein Wein mich nicht packt und mich auch nicht sofort in seinen Bann zieht, kann ich ihn zwar einordnen, vielleicht auch bewerten, aber ich kann ihm nicht wirklich gerecht werden. Das muss natürlich auch nicht immer sein, schließlich gibt es nicht nur große Weine auf der Welt. Todlangweilig wäre das geradezu – und auch nicht angebracht, nebenbei bemerkt. Umso wertvoller sind diese Momente, in denen ein Wein im Glas ist, der mich so packt, der mich so einnimmt und nicht mehr loslässt, dass es mir beinahe die Sprache verschlägt. So einen Moment hatte ich kürzlich während einer Probe mit den legendären Stag´s Leap Weinen.

SL3Beim Namen Stag´s Leap klingeln dem Weinfreak die Ohren. Da war mal was, vor 40 Jahren, in Paris. Das legendäre „Judgement of Paris“, das die scheinbare Überlegenheit der Weiß- und Rotweine der „Grande Nation“ mal eben ad absurdum führte, in dem Kalifornier den ersten Platz belegten. Ein veritabler Aufruhr, beinahe ein Skandal – zumindest für den Franzosen – aber am Ende eben doch wieder nur einmal ein Beleg dafür, wie groß und vielfältig die Weinwelt ist (der Kollege Raffelt hat hierzu kürzlich einen schönen Blogpost verfasst).

Gewinner des Judgement of Paris war der 1973er Stag´s Leap Cabernet Sauvignon. Ob man dieser Verkostung nun viel Bedeutung beimessen möchte oder nicht, für den Wein und das Weingut war das wie ein Sechser im Lotto und die sogenannte „Neue Welt“ hatte fortan die Aufmerksamkeit der Weintrinker auch in Europa. Die wenigen Male, die ich bisher Stag´s Leap Weine verkosten oder gar trinken durfte, haben in mir auch nie ernsthafte Zweifel aufkommen lassen, dass es sich hier um wirklich guten Wein handelt. Dass es tatsächlich ganz großer Wein ist, wurde mir erst mit dieser Probe von 12 verschiedenen Jahrgängen klar.

Wie es sich für großen Wein gehört, brauchen die Stag´s Leap Weine Zeit. Die Probe hat das eindrucksvoll bewiesen. Die jüngeren Jahrgänge 2008, 2010, 2012 und 2013 waren fantastisch und ließen mit ihrem erkennbaren Potenzial erahnen, was aus ihnen einmal werden kann. Die ganz alten Jahrgänge 1974, 1978, 1985 und 1990 zeigten, wie haltbar das Ganze ist. Die Weine in der „zweiten Lebensphase“, also 1995 und 1997 waren monumental. Das ist wohl der Zeitraum, in dem die Weine mehr oder minder perfekt sind.

Ich habe in meiner mittlerweile jahrzehntelangen Weintrinkerkarriere noch nie 100 Punkte für einen Wein vergeben. Zum einen liegt das daran, dass ich so oder so nur ungern Punkte an Weine vergebe, zum anderen war ich mir nie wirklich sicher, ob das nicht doch auch irgendwie übertrieben und der Euphorie des Moments geschuldet ist. Ich habe mich schlicht nicht getraut. Dabei ist es Quatsch! Wenn ein Wein perfekt ist, wenn er noch dazu das mit einem macht, was ich oben beschrieben habe, dann sind 100 Punkte eben angebracht. Und so ist es mit dem einen Wein dieser Probe. Ich habe lange überlegt, mehr als eine Woche, aber ich kann nicht anders:

SL11995 Stag´s Leap Cabernet Sauvignon, Napa Valley

Allerfeinste Röstaromen, ein Hauch von Graphit und reifer Paprika, extrem reif und unfassbar aufreizend, süßlich wirkend ohne süß zu sein, ausbalanciert in Formvollendung, super saftig, nicht enden wollend lang und mit dem monströsesten Trinkfluß aller Zeiten ausgestattet. Keinerlei Fehler, keinerlei Makel und selbst beim penibelsten Examinieren gibt es keinerlei Kritikpunkt, nichts ist zu finden, was auch nur den Hauch einer Kritik würdig wäre. Perfekter Wein in perfektem Zustand und deswegen 100 Punkte.

 

 

SL21978 Stag´s Leap Cabernet Sauvignon, Napa Valley

Ich hatte noch nie einen Wein im Glas, der so nach Lavendel roch wie dieser. Ein ganzes Lavendelfeld förmlich … Dazu ein Hauch von Tabak, rauchige Aromen und etwas getrocknete Tomate. Enorm dicht, sehr konzentriert und dabei immer noch deutlich spürbare Tannine. Stabil wie ein Atombunker, was ganz sicher an der herausragenden Säure liegt. Dabei wirkt der Wein aber weich und samtig und die Länge ist phänomenal. Nicht ganz so lang wie der 1995er und deswegen „nur“ 99 Punkte.

 

 

Was diese Weine auszeichnet ist ein schier aberwitziges Spiel zwischen Finesse und Druck, zwischen purer Power und einer von der Säure getragenen Verspieltheit. Stag´s Leap vereint die so verschiedenen Aspekte des klassischen „cool“ und „warm climats“. Trotz hohem Alkohol ist das Ganze nie brandig. Im Gegenteil, der Alkohol ist bestens integriert und fällt erst auf, wenn die Flasche leer ist. Die für einen Rotwein so wichtige Säure trägt viel dazu bei, dass das Ganze nicht dick und breit wirkt. Es sind Weine, über die nicht philosophiert werden muss, sondern die schlicht getrunken gehören. Mit einem leicht entrückten Lächeln auf dem Gesicht, versteht sich, schließlich gibt es sowas nicht alle Tage!

Neben diesen beiden herausragenden Weinen gab es noch diverse andere Jahrgänge, die nahezu perfekt waren. Dazu aber mehr in der nächsten Ausgabe der „FINE“, die am 10. September erscheint.

 

 

 

Dirk Würtz Verfasst von:

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