Revolution im Elsass – Léon Boesch!

Ja, der Titel ist reißerisch, vielleicht sogar etwas übertrieben, aber das ist egal. Aufmerksamkeit muss her, für einen der besten Winzer, den ich seit Jahren getroffen habe. Sonst könnte es sein, dass es untergeht. Es geht nämlich mal wieder um das Elsass.

Mathieu Boesch ist schlank, geradezu drahtig. Seine Figur erinnert an einen Radfahrer. So einer, der die Berge hoch fliegt und alle staunend zurück lässt. Fröhlich wirkt er noch dazu und beim Reden fliegen seine Hände durch die Luft. Wenn er denn mal in Schwung kommt. Er wirkt eher unscheinbar und zurückhaltend auf den ersten Blick. Ein sympathischer Mensch. Kein lauter, aber auch nicht still im klassischen Sinn. Ein in sich ruhender und bewusster Mensch. So hat es zumindest den Anschein. Sein Weingut liegt im Süden des Elsass, südlich von Colmar in Westhalten, am Fuß des Grand Ballon, des höchsten Bergs der Region. Etwa 15 Hektar bewirtschaftet er mit seiner Familie und der Grand Cru Zinnkoepfle ist seine wichtigste Lage. Hat man irgendwie schon einmal gehört, wenn man sich für das Elsass interessiert. Bis zu 450 Meter hoch gehen die Lagen in diesem Teil der Region und bei gutem Wetter sieht man den Mont Blanc. Es ist ein kleines Paradies.

boesch2Seit 2000 arbeitet Mathieu Boesch auf seinem Weingut ökologisch und seit 2001 biodynamisch. So wie viele andere im Elsass auch. Auf die Frage warum er das mache, bekommt man eine eher unspektakuläre  Antwort: „Die Weine sind viel balancierter, denn die biodynamische Arbeitsweise bringt alles in die Mitte“, meint er. Matthieu erzählt, wie er als Junge im Jahr 1978 eine schlimme Ohrenentzündung hatte und als nichts mehr half, ging seine Mutter mit ihm zum Homöopathen. Die Ohrenentzündung war weg und die Familie hatte ihr initiales Erlebnis. Heute gehen seine Kinder auf  die Waldorfschule und sein Betriebsgebäude ist eine Art Öko-Vorzeige-Haus. Es ist ein Holz-Stroh-Lehm-Haus mit begrüntem Dach und Strohtüren, es hat keine Ecken und was eben sonst noch so alles dazu gehört. Er benutzt keine Stahltanks, sondern nur Holzfässer, manche davon sind mehr als 100 Jahre alt. Die Erklärung des 39-jährigen ist einleuchtend: „Holz ist wie ein Pullover, der beschützt – Stahl wie ein Shirt“, sagt er und fügt hinzu: „Ich wollte aber auch lieber in einem Holzhaus als in einem Stahlhaus leben“. Er lächelt ein wenig, aber es ist klar, dass er das Ernst meint. „Wein lebt“, schiebt er schnell noch nach und damit hat sich jede weitere Frage erübrigt.

boesch3Nein, der Mann ist kein Esoteriker. Nichts von dem, was er sagt, ist auch nur im Ansatz esoterisch. Spätestens wenn er anfängt über seine Weine und seine Philosophie zu reden, zu erklären, was er mag und gerne trinkt, wird klar, dass der Kerl ein Weinfreak ist. „Ich mag die kühlen Jahrgänge, ich will die Frische in meinem Wein“, erklärt er und schenkt einen Gewürztraminer aus, wie ich ihn bisher noch nie im Glas hatte. Frische und elsässischer Wein waren für mich bisher zwei Dige, die selten zusammengingen. Musste auch nicht sein. Der Gewürztraminer ist so ein Paradebeispiel für das klassische Elsass – dick, breit und süß. Der 2015 Gewürztraminer aus dem Zinnkoepfle von Boesch ist knochentrocken. Das ist ungewöhnlich. Das Ganze ist ein gemeinsame Projekt mit seiner Frau. Sie haben lange überlegt, ob das überhaupt geht, trockener Gewürztraminer. Die Reben sind alt. Sie sind teilweise aus den 50iger Jahren, aber es stehen auch noch welche, die seine Vorfahren 1937 und 1927 gepflanzt haben. „Trockene Gewürztraminer haben hier keine Tradition“, sagt Mathieu, „aber als ich solche Weine aus Deutschland und Österreich probiert habe, war mir klar, dass das geht“. 2014 war dann sein erster Versuch und der war direkt erfolgreich. Er sucht die Säure und die Frische, das hilft enorm. Der 2015er ist der beste Gewürztraminer, den ich in meinem ganzen Leben jemals getrunken habe. An Feinheit und Eleganz nicht zu überbieten, keinerlei Anflüge von Aufdringlichkeit und obwohl er dicht ist, ist er in keinem Moment breit oder gar plump. Ein Meisterwerk, anders kann ich es nicht ausdrücken. Der 2014er ist ganz ähnlich, wenngleich hier ein zarter Rosenduft zu Allem dazu kommt. Mann muss das einmal getrunken haben – das ist eine neue Definition dieser Rebsorte. Das Ganze erinnert in seiner gesamten Anmutung eher an Riesling. Mit 21,- Euro absolut fair bepreist.

boesch1A propos Riesling: Die kann er auch. Und wie! In seiner Lage „Breitenberg“ schafft er es, bei aller Konzentration auch noch Finesse und Zug in den Wein zu bringen. Straffe Weine sind das, kein Primärfruchtschmeichler, sondern Steinweine im besten Sinne. Salzig ist der 2014er beinahe, den Mund wässrig machend und mit einer wunderbar feinen Säure ausgestattet. Ein Knaller! Der 2013er ist ein Monument, ein großer Riesling, der beim reinriechen schon Gänsehaut erzeugt. Enorm konzentriert, etwas Minze und etwas Malz und einen Hauch von Pfirsich. Vielschichtig und tiefgründig, unendlich lang und fantastisch kühl. Schlicht perfekt! Für 13,50 Euro geradezu ein Witz und das Schnäppchen des Jahres.

Und wäre das nicht alles schon genug, macht Mathieu im Weingut Léon Boesch auch noch außergwöhnliche Pinots. Also das, was so oft in Fach- und Freakkreisen angezweifelt wird. Elsass und seriöser Pinot – ja, auch das geht! Der 2014 „Luss“ ist mit seinen feinen Röstaromen und seiner enormen Straffheit geradezu herausragend. Säure hat er, und das ist das wichtigste. Die Säure ist reif und tragend und macht das Ganze zu einem monumentalen Trinkspaß. Der Wein hat keinen Schwefel, was überhaupt nicht zu merken ist. Boesch ist überhaupt sehr vorsichtig und zurückhaltend, was Schwefel angeht. Aber das nur als kleine Randnotiz.

Ich gebe es zu, ich bin begeistert, beinahe schon verliebt und extrem euphorisch! Ich habe so etwas schon lange nicht mehr erlebt. Auch und gerade nicht im Elsass. Dieser Matthieu Boesch ist ein Talent, ein Genie, ein Hoffnungsträger. Ein Pendler zwischen den Welten. Keiner, der in schwarz oder weiß denkt, sondern der ganz genau abwägt und überlegt. Der keine Moden mitmacht und eher still aber exakt an seinem Stil arbeitet. „Wein machen ist gefährlich“, sagt er mir während des Mittagessens. „das kann man auf der ganzen Welt machen.“ Seine Betonung liegt natürlich auf dem Wort „machen“. Während seine Worte noch im Raum stehen, bestellt er eine Flasche aus dem Jura von Jean Francois Ganevat. Ein Freak mit Geschmack eben. Wir verstehen uns …

 

 

Dirk Würtz Verfasst von:

4 Comments

  1. 23. Juni 2016
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    Ein toller Bericht über diesen Winzer! Am liebsten würde man sich ins Auto setzen und gleich zu ihm fahren! Aber das werde ich auf jeden Fall zu gegebener Zeit machen. Persönlichkeiten kennenzulernen ist immer etwas Besonderes!! Danke und Grüße an dich Dirk

  2. Regine Schork
    23. Juni 2016
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    Ein Plädoyer für das Elsass und für Leute die aus ihrem Inneren leben. Ich bin gespannt wann. Ich das erste Tröpfchen probieren darf . Danke Dirk .

  3. Man riecht und schmeckt die Weine förmlich….Wenn Genuss und Begeisterung zusammentreffen, entstehen solche Artikel. Bien fait.

  4. Karlo Becker
    24. Juni 2016
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    Schöner Bericht, authentische Beschreibung, Geheimtip kommuniziert. Ökologie scheint er aus der Seele heraus zu leben und er scheint zu wissen, wie seine Weine aus den großen Lagen verzaubern und die Klassik daraus neu interpretiert wird.
    Wohl an, wir schmecken den Traminer neu !

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