Spitzenwein?

Hin und wieder beschleicht mich das Gefühl, dass es nur noch Spitzenweine gibt. Wenigstens werden sie so proklamiert. Was aber ist ein Spitzenwein und wer macht ihn zu selbigem?

20160421_182449Die Antwort darauf ist nicht gerade einfach. Man könnte sagen: der Markt reguliert das. Ein Spitzenwein ist derjenige, der hohe Preise erzielt oder besser noch, die Preisführerschaft hat, für den es einen Sekundärmarkt gibt und der Begehrlichkeiten jeglicher Art weckt. Ausverkauft muss er auch immer sein, nebenbei bemerkt. Wenn dazu noch hohe Bewertungen in den einschlägigen Führern hinzukommen, sind wahrscheinlich alle Kriterien erfüllt. Letzteres, sprich die qualitative Bewertung findet in der Regel singulär statt. Der Wein steht vor dem Verkoster, blind oder offen, und wird bewertet. Im Idealfall im Kontext mit anderen Weinen, beispielsweise aus dem gleichen Anbaugebiet. Was aber, wenn der „Spitzenwein“ sich mit anderen Vertretern dieser Klasse messen lassen muss. In einer Blindprobe. Das war die grundsätzliche Überlegung und der Aufbau der hinter einer der spannendsten Proben steckte, die ich seit langem erleben durfte.

Seit einigen Jahren – seit 2009 – gibt es ein Weingut in Südafrika, vielleicht sollte ich besser „Weinprojekt“ sagen, dass sich auf die Fahnen geschrieben hat, den teuersten und besten Wein Südafrikas erzeugen zu wollen. Das Ganze nennt sich 4G. Kopf hinter diesem Projekt ist Phillipp Axt, ein ehemaliger Unternehmensberater, der eine Art Fonds mit vielen Anteilseignern ins Leben gerufen hat, um dieses Projekt zu starten. Das Weingut verfügt über keine eigenen Weinberge sondern „least“ quasi mehrere Zeilen langfristig von anderen Winzern. Also keinen ganzen Weinberge, sondern immer nur bestimmte Zeilen eines Weinberges. Diese geleasten Flächen werden mit einem eigenen Team bewirtschaftet, die Trauben kommen in eine eigens gebaute Kellerei und werden dort verarbeitet. Klingt nicht nur interessant, ist es auch. Natürlich hat das mit der klassischen „Herkunftswinzerei“, wie wir das so kennen, nichts zu tun. Macht aber nichts. Die Preise für die Weine sind sportlich. Der Erstwein kostet 300 Euro pro Flasche, der Zweitwein 100 Euro. Das ist dann auch tatsächlich das teuerste, was man aus Südafrika bekommen kann. Damit wäre bereits ein Kriterium des Spitzenweins erfüllt. Googelt man ein wenig durch das Weinnetz, findet man auch einige deutliche Worte. Der Wein wird in einem Atemzug mit so Legenden wie Screaming Eagle und Grange genannt. Damit dürfte auch der Punkt hohe Reputation erfüllt sein. Aber ist das wirklich so?

20160421_181653Vorab: der Wein ist gut. Sehr gut sogar. Aber an einen Grange oder gar Screaming Eagle reicht er nicht heran. Wie komme ich darauf? Die Blindprobe hat es gezeigt. Der 2012 L´Aube de la Vigne und der 2013 Waldweben standen in einer Blindprobe mit den vermeintlich besten Weinen der Welt. Im ersten Flight waren die Mitbewerber 2012 La Mondotte, 2012 Pingus, 2012 Masseto, 2012 Pétrus, 2012 Harlan Estate und 2011 Grange. Der L´Aube de la Vigne war deutlich und relativ einfach als Südafrikaner zu erkennen. Das gibt schon einmal ein dickes Plus, denn es handelt sich nicht um noch einen gesichtslosen und nicht zuzuordnenden modernen Frankensteinwein, den irgendein Star-Önologe am Reißbrett entworfen hat. Immerhin berät Kult Weinmacher Giorgio dalla Cia das Projekt. Und der hat über Jahrzehnte mit Meerlust eindrucksvoll gezeigt, wie man authentischen südafrikanischen Wein macht. Ansonsten ist das Ganze ein fester, eher fleischiger Wein, mit einer schönen Säure, einem guten Trinkfluss und Spaß auf hohem Niveau. Also etwas wirklich Gutes.

Im gleichen Flight war der 2011er Grange. Ein Wein, der annähernd perfekt war. Ein abgrundtiefes und gigantischen Monument von einem Wein. Unendlich dicht und unendlich lang und ganz nahe an der Perfektion. Ähnlich wie der 2012 La Mondotte, der auch perfekt seine Herkunft wiederspiegelte und dabei zeigte, wie Eleganz UND Druck zusammenpassen können. Einer der besten Bordeaux für mich aus dem Jahrgang überhaupt und wahrscheinlich auch einer der besten Rotweine generell. Knapp hinter dem Grange in meiner Liga der großen Weine. Der 2012 Pétrus hatte es in diesem Flight schwer. Er war auch leicht erkennbar, aber es fehlte die wirkliche Größe. Der Wein ist natürlich viel zu jung und es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn das nicht noch wesentlich besser werden würde. Allerdings auf Augenhöhe mit dem 4G-Wein. Gut für 4G, wenig schmeichelhaft für Pétrus. Den Pingus und den Masseto hat der L´Aube de la Vigne hinter sich gelassen. Immerhin, das muss man auch erst einmal hinbekommen.

 

20160421_181848Im zweiten Flight waren die Protagonisten folgende: 2011 Pétrus, 2013 La Mondotte, 2013 Pingus, 2012 Opus One, 2011 Screaming Eagle, 2012 Grange, 2009 Dimchurch. Der 4G Wein war der 2013 Waldweben. Auch hier handelt es sich um einen Blend aus den klassischen Bordeaux-Sorten und Syrah. Es bot sich ein ähnliches Bild wie im ersten Flight, wenngleich dieser Flight deutlich schwieriger einzustufen war. Einige der Weine waren sehr ähnlich, sprich schwer zuzuordnen. Herausragend war der 2011 Screaming Eagle. Ein wahrhaft großer Wein, ausgestattet mit allem, was ein großer Wein haben sollte. Geht kaum besser, geht nur anders! Ebenso herausragend der La Mondotte, der zwar etwas hinter dem Ami bleibt, dafür aber den größten Trinkreflex ausgelöst hat. Der Waldweben schlug sich anständig und war wiederum auf Augenhöhe mit Pétrus, Opus One und noch vor dem Grange. Mit außergewöhnlichen Aromen von Tee, Unterholz und Kardamom ein wirklich spannender Wein.

Das Fazit?

Diese Weinprojekt in Südafrika ist ganz sicher eines der spannendsten der vergangenen Jahre. Die Weine sind auf einem enorm hohen technischen Stand und ich bin mir sicher, es kann überhaupt nicht schaden, wenn es einen neuen ICON-Wein aus SA gibt. Im Gegenteil! Die Südafrikaner haben es hierzulande nicht leicht. Ob die 4G-Weine aktuell an die allerbesten der Welt heranreichen, wage ich zu bezweifeln. Ich könnte mir allerdings sehr gut vorstellen, dass sich hier noch ganz viel in den nächsten Jahren tun wird. Beachtlich geschlagen haben sie sich in jedem Fall und im Konzert der Großen konnten sie bestehen!

Dirk Würtz Verfasst von:

Ein Kommentar

  1. Regine Schork
    27. April 2016
    Reply

    Wow, hört sich nach tüchtiger Arbeit an !
    Schön für den der dabei war 🙂

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