Rotweinwunder?

Inspiriert durch eine kleine Diskussion auf Facebook, ist es wieder einmal Zeit, sich über das Thema deutsche Rotweine Gedanken zu machen.

Wenn man, wie ich, seit vielen langen Jahren im Netz aktiv ist, fällt einem die Redundanz bestimmter Themen mehr als deutlich auf. Das ist nicht wirklich dramatisch, aber es ist auch nicht wirklich inspirierend. Das „Deutsche Rotweinwunder“ ist so ein Thema. Ich nenne das jetzt einmal ganz bewusst „Wunder“, weil es das für einige immer noch ist. Das Wunder dauert allerdings schon mehrere Jahre. Knapp zwanzig genau genommen. Setzt man das in Relation zur Gesamtdauer des deutschen Weinbaus, ist das tatsächlich noch keine wirklich lange Zeit.

Das Wunder spielt sich auf zwei Ebenen ab. Wovon eine öffentlich beinahe nicht stattfindet. Das eigentliche Wunder ist die Tatsache, dass das überhaupt funktioniert hier in Deutschland. Das mit dem Rotwein. Klimawandel sei Dank, reden wir tatsächlich über ernsthafte Getränke dieser Art. Bis in die 90iger war deutscher Rotwein eher eine Art Rosé mit kräftigeren Tanninen und leicht kratzigem Geschmack. Ausnahmen bestätigen natürlich hier die Regel. Die Farbe war schlichtweg nicht vorhanden. Zumindest nicht beim Pinot. Das dürfte im Übrigen einer der nachhaltigsten Gründe für den Erfolg des Dornfelders gewesen sein. Der war dunklelstrot, beinahe schon schwarz und blickdicht. Der Konsument sah sofort, dass es sich um einen Rotwein handeln muss – und die Zähne färbte er auch so hübsch ein. Eine Erfolgsgeschichte. Dabei ist Dornfelder nichts anderes als ein rotes Getränk, das Alkohol enthält. Auch hier gibt es natürlich Ausnahmen. Wenige, versteht sich. Und das Aufzählen selbiger geht rasch. Dornfelder ist nicht groß und niemals taugt er dazu, Reputation und Image aufzubauen. Im besten Fall ist er leicht zu trinken. Allenfalls sorgt er für Staunen. Nämlich dann, wenn er auf einmal zur Freakshow wird, zur ganz besonders herausragenden Spezialität, wie das Exemplar von Stefan Steinmetz an der Mosel.

Die internationale Benchmark für großen Wein sind die klassischen Rebsorten aus dem Bordeaux und natürlich der Pinot Noir. Letzterer ist – zumindest für mich – an Göttlichkeit nicht zu überbieten. Merlots und Co. gedeihen auch hierzulande immer besser. Man schaue nur in die Pfalz und betrachte sich, nein besser trinke, das Cuvee X aus dem Hause Knipser. Geht nicht besser, geht nur anders. Und das ist nur eines von vielen Beispielen.

Wer einfach nur Trinkfluss auf höchstem Niveau will, der geht nach Ellerstadt zu Markus Schneider. Der ist quasi das personifizierte Rotweinwunder. Und wer große Pinots haben will, die keinerlei Vergleich scheuen müssen, der fährt einfach quer durch annähernd alle Anbaugebiete. Die wachsen fast überall. Und wer glaubt, Blaufränkisch sei nur in Österreich gut, dem empfehle ich einen Besuch in Württemberg. Natürlich sind die Ösis in Sachen Blaufränkisch viel breiter aufgestellt als wir hier. Aber es kommt. Es wächst und es wird. Man probiere bitte den Blaufränkisch von St. Antony. Das ist „state of the art“. Fazit: Es ist längst da, das Rotweinwunder!

Die zweite Ebene ist die eigentlich problematische. Wir produzieren herausragende Rotweine und kaum einer redet davon. Korrekt muss es heißen: Es reden viele davon, aber es kommt nicht an. Und zwar da nicht, wo es hingehört – beim Verbraucher. Jede Weinpublikation hat über deutsche Rotweine beinahe alles geschrieben, was zu schreiben gewesen wäre und natürlich trinkt der Konsument deutschen Rotwein (35 Prozent der Rebflächen des Landes sind mit roten Sorten bepflanzt). Aber eben nur nebenbei und schon gar nicht besonders.

Die besondere Flasche Rotwein kommt nicht von hier, sie kommt aus Frankreich, Italien, Spanien oder Übersee. Das Vertrauen in das Besondere fehlt hier immer noch. Beim Weißwein ist es ähnlich, aber es dreht sich zumindest deutlich. Da regelt sich das Vertrauen durchaus auch mal über den Preis. Wenn ein Weißwein 50 Euro kostet, könnte das ja gut sein. Weißwein, denkt sich der Konsument, das können wir hier. Kostet ein Pinot aus Deutschland 50 Euro, muss das ein Fehler sein. Quasi Nepp. Es gibt in der Breite keinerlei Vertrauen, nicht einmal eine Mutmaßung, dass das passen könnte. Das gilt es zu ändern. Nachhaltig.

Wir sind ein Weißweinland und werden es – hoffentlich – auch bleiben. Dennoch muss ein Bewusstsein für herausragenden deutschen Rotwein her. Eine Art Identität. Die hat, meines Erachtens, nichts mit dem Burgund zu tun. Burgund ist Burgund, die Ahr ist die Ahr – burgundischer Pinot von der Ahr grenzt an Selbstverleumdung. Das ist Marketingblabla von unsicheren Zeitgenossen. Ähnlich wie dieser ewige und unsägliche Toskana-Vergleich. „Die Pfalz ist die Toskana Deutschlands“… Gruselig! Nein, das ist sie nicht! Die Pfalz ist die Pfalz und sie ist nicht deshalb so schön, weil sie beinahe so schön ist wie die Toskana. Sie ist die Pfalz! Und deswegen ist deutscher Pinot nicht Burgundisch. Er ist eigenständig, er hat eine Identität und meinetwegen hat er eine Anmutung, die an irgendwas erinnert. An was ist egal. Hauptsache es ist gut!

Foto: Deutsches Weininstitut (DWI)

Dirk Würtz Verfasst von:

5 Comments

  1. Udo Bauer
    31. Januar 2016
    Reply

    Super Artikel! Ich bin auch der Meinung dass es kein Rotweinwunder ist, sondern die logische Konsequenz der positiven Entwicklung der deutschen „Weinmacher“. So war es früher die Masse und heute die Qualität die Gott seid Dank immer mehr zählt. Für mich ist es auch die wesentlich verbesserte Qualifikation der heutigen Winzerbetriebe, die Weinbau studieren, Praktika in aller Welt machen und Ihren eigenen Stil entwickeln und nicht nur kopieren. Bin gespannt was sich auf dem Rotweinsektor in Deutschland noch so tut in den nächsten Jahren. Ich hoffe, dass die unterschätzten, regionalen Sorten, wie z. Bspl. Schwarzriesling, Portugieser usw. noch mehr auf sich aufmerksam machen, und dass die Weinmacher die Typizität noch feiner herausarbeiten. Bin sehr gespannt und auch optimistisch, dass das gelingt! Traurig macht mich jedoch, die immer noch vorhandene Schnäppchenmentalität der heutigen Gesellschaft!

  2. 31. Januar 2016
    Reply

    Lieber Dirk,

    Gut geschrieben, ja gut gebrüllt, Löwe. Dennoch kann ich es nicht wirklich nachvollziehen, die Konsumentenschelte (Rotwein 50 Euro, Nepp und so) und das Ding mit der Pfalz und Toscana . Dieser Schwachsinn ist doch von den Marketingstrategen und Schreiberlingen selbst verzapft worden, kein Konsument hat sich das ausgedacht. Als Wellenreiter wollte man einfach vom positiven Image der Toskana profitieren – und obendrein kostet das ja auch nix.
    Andererseits erlebe ich es, dass die großen deutschen Burgunder ruck zuck ausverkauft sind, Versuch doch mal jetzt ein großes Gewächs aus dem aktuellen Jahrgang bei Huber, Schnaitmann, Fürst & Co zu bekommen. ausverkauft heißt es da immer nur. Aber das gilt nicht nur für die etablierten großen Namen, sondern auch für die Avantgarde a la E&M oder die Garagenwinzer a la Möbitz. Die Crowdpleaser Weine hast Du schon selbst angesprochen. Schneider und Konsorten verkaufen die geschmeidigen Rotweine hunderttausendfach. Ich denke, der deutsche Rotwein war nie so erfolgreich wie dieser Tage und das ist auch gut so. Er ist angekommen – sowohl in der Breite als auch der Spitze, in der Gastronomie ebenfalls. Nur ausruhen – Lorbeeren und so, das sollte man vermeiden.

    Grüsse aus Mailand – mit viel Riesling auf den lokalen Weinkarten 😉

    • 31. Januar 2016
      Reply

      Ich wünschte es wäre so. Sicherlich sind die meisten dieser Weine ab Gut ausverkauft. Aber wo sind sie? Wo ist der Sekundärmarkt und warum gehen die nicht vom Image in die Breite? Warum will der Normalkonsument das Châtöchen als besonderen Wein und nicht den Huber? Und natürlich ist das Marketingkokolores. Sage ich ja. Kein Konsument kommt auf derartige Vergleiche. Aber Produzenten und Schreiber.Und warum? Weil es an Selbstbewußtsein und schlußendlich an Identität mangelt. Es wird lieber kopiert und relativiert, als alles andere. DAS ist es, was mich gaga macht!!!
      Gruß nach Mailand und trink einen für mich mit 😉

  3. 31. Januar 2016
    Reply

    @Michael Quentel, stimme Dir absolut zu. Das „Scheiberlinge“ ist jedoch mehr als überflüssig. Es ist nicht nur abwertend sondern eine Diffamierung vieler fleißiger Menschen die Ihren Lebensunterhalt in der Publizistik verdienen. Nur mal so am Rande.

  4. Reinhard Groß
    31. Januar 2016
    Reply

    „Schneider und Konsorten“…@ Michael Quentel, was soll diese Herabsetzung von Produzenten, die es schaffen, gut trinkbare, leicht verständliche und bezahlbare Weine in großer Stückzahl herzustellen und abzusetzen?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert